Angestöpselt statt abgehängt
Florian Helmerich nimmt die Seitenwand des Computergehäuses herab und wirft einen Blick ins Innere des Rechners. „Schaut alles nach Standard aus“, kommentiert
das Mitglied der Initiative „angestöpselt“. Dann schließt er den Rechner an. Doch nichts passiert. Der Bildschirm vor ihm bleibt dunkel. „Die Hauptplatine ist kaputt“, konstatiert der 16-Jährige. Damit taugt dieser geschenkte Rechner nicht mehr dazu, wieder hergerichtet und an jemand Bedürftigen verschenkt zu werden.
Seit einem Jahr engagiert sich der Realschüler bei dem „angestöpselt“ genannten Verein „Computerspende Würzburg“. Seit kurzem gehört er sogar dem Vorstand an. Mit Flo, wie Florian im Team genannt wird, hat die in der Frankfurter Straße 74 beheimatete Initiative einen wertvollen Mitstreiter gewonnen. Flo versteht viel von Computern. Zusammen mit einem Freund entwickelte er, basierend auf der kostenlosen Linux-Distribution Ubuntu 14, in einer vierteljährlichen Tüftelarbeit ein Betriebssystem, das seither auf alle wiederhergestellten Rechner und Laptops aufgespielt wird. CSX heißt es.
Um die 150 Computer wurden in diesem Jahr bereits an Menschen, die Sozialhilfe beziehen, verschenkt. „Das sind mehr als letztes Jahr um diese Zeit“, sagt Thomas Schlier, der sich ebenfalls bei „angestöpselt“ engagiert. Vier Rechner stehen gerade fix und fertig im Regal. Sie können ohne Voranmeldung jederzeit abgeholt werden. So war das nicht immer, weiß Flo: „Wir hatten auch schon Wartelisten.“
Momentan genug Spender
Doch augenblicklich gibt es genug Spender, die ihre alten Rechner zu „angestöpselt“ bringen. „Manchmal bekommen wir von Firmen gleich 50 Computer auf einmal“, sagt Flo. Die meisten Rechner sind zwischen sechs und acht Jahre alt. Mit diesen Computern kann man ohne Probleme Dateien erstellen, im Internet surfen oder Mails schreiben: „Nur mit manchen Spielen ist es schwierig.“ Dafür reichen Rechnerleistung und Grafikkarte nicht aus.
Doch die Rechner werden auch nicht in erster Linie deshalb verschenkt, damit gespielt werden kann. „Diejenigen, die zu uns kommen, sagen oft, dass sie den Computer brauchen, um im Internet nach Stellen zu suchen um sich zu bewerben“, meint Flo. Geld, sich einen auch noch so günstigen Laptop im Geschäft zu kaufen, besitzen sie nicht, weiß das Vorstandsmitglied: „Diese Menschen haben einfach keinen Cent übrig.“
Aber auch für die Kinder in der Schule werden Rechner benötigt. „Ohne Computer ist man heute abgehängt“, bestätigt Wolfgang Popp, der gerade zusammen mit Charles Amekudzi am Werktisch hinter Florian versucht, das hauseigene Betriebssystem per CD auf einen reparierten Rechner zu spielen. Wolfgang Popp ist Programmierer von Beruf. Eigentlich sitzt er schon tagsüber genug am PC. Doch die Idee, alte Computer, die sonst weggeworfen würden, für arme Menschen wieder herzurichten, gefällt ihm so gut, dass er am Montagabend noch mal zwei Stunden dranhängt und sich ganz umsonst für „angestöpselt“ engagiert.
Über 40 Mitglieder hat der „Verein für Digitalkompetenz“ inzwischen, etwa 15 arbeiten an jedem Montag und Mittwoch in der Werkstatt mit. Die ist inzwischen viel zu klein geworden für die Vielzahl an gespendeten Computern und die große Zahl an Volunteers. . „Wir suchen deshalb gerade neue Räume“, sagt Flo.
Angebot soll erweitert werden
Überhaupt soll das Angebot von „angestöpselt“ erweitert werden. Zum einen, was die vor einem Jahr gestarteten Schulungen für die Kunden betrifft: „Es wäre schön, wenn dabei jeder Teilnehmer vor einem Computer sitzen könnte.“ Doch das ist nicht möglich, denn neben dem Werkstattraum gibt es lediglich einen Eingangsbereich mit Sofa und ein paar Stühlen. Platz, acht bis zehn kleine Tische aufzustellen, ist nicht vorhanden.
Und noch einen Zukunftsplan hegt das Team laut Flo: „Wir möchten gerne ein Internetcafé für Bedürftige eröffnen.“ Darin sollen alle Menschen, die einen Berechtigungsschein haben, kostenlos surfen dürfen. Die Idee wäre sofort realisierbar – gäbe es dafür Räumlichkeiten: „Und zwar am liebsten in der Zellerau. Denn daher kommt ein Großteil unserer Kunden.“