Riesiger Ansturm auf alte PCs
„Meine Güte, der Drucker ist ja quasi neu!“ Moritz Beck von der Computerspende Würzburg ist beeindruckt. Eine lokale Firma übergab dem Verein nun schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen ausrangierte elektronische Geräte. 200 Notebooks, 70 Drucker und verschiedene Netzteile befinden sich in den 25 Kartons, die der 17-Jährige zusammen mit Vereinskollegen in drei Fuhren von dem Unternehmen zum Vereinsladen @ngestöpselt in die Zellerau gekarrt hat.
Überprüfung
In den kommenden Wochen wird jedes Gerät auf seine Funktionstüchtigkeit geprüft, sämtliche Daten werden von den Festplatten gelöscht. Außerdem spielt das @ngestöpselt-Team auf jedes Notebook das Betriebssystem Linux auf. „Dafür werden wir eineinhalb Monate brauchen“, schätzt Florian Helmerich, der sich zusammen mit Moritz Beck im Vorstand des „Vereins für Digitalkompetenz, dem Träger von @ngestöpselt, engagiert. Vor ihm stehen vier aufeinander gestapelte Notebooks, deren Daten gerade gelöscht werden. Vor eineinhalb Stunden startete der Prozess: „Das wird jetzt wohl noch eine halbe Stunde dauern.“
Abnehmer für die Notebooks gibt es reichlich. „Wir erlebten in den letzten Wochen einen regelrechten Ansturm“, sagt Helmerich. An den beiden Öffnungsabenden, Montag und Mittwoch von 18.15 bis 20.20 Uhr, kamen stets um die 30 Menschen in den Laden in der Frankfurter Straße 74. Keiner von ihnen hatte genug Geld, um sich einen Rechner im Geschäft kaufen zu können. Der Ansturm war so groß gewesen, dass erstmals Nummern ausgegeben werden mussten.
Kontakt zum Heimatland
Laut Helmerich fragen momentan in erster Linie Flüchtlinge nach einem Computer. „Sie benötigen ihn, um Kontakt in ihr Heimatland zu halten“, so der 17-jährige Realschüler, der im August eine Lehre zum Fachinformatiker beginnen wird.
Nach wie vor kommen aber auch Ruheständler mit Minirente sowie Menschen im Hartz IV-Bezug, für die selbst gebrauchte 50-Euro-Computer, wie sie über das Internet angeboten werden, unerschwinglich wären.
Dass es kaum möglich ist, vom Regelsatz so viel Geld abzuknapsen, um sich dafür einen Rechner zu kaufen, bestätigt Gina H. (Name geändert). Die 55-jährige Würzburgerin lebt seit 2009 auf Hartz IV-Niveau. Ein Burnout, erzählt die @ngestöpselt-Kundin, katapultierte sie damals aus dem Erwerbsleben. 2011, als die Computerspende Würzburg gegründet wurde, suchte sie das Team gleich auf, um sich einen Rechner zu organisieren.
Mit diesem inzwischen mehr als zehn Jahre alten Gerät kommt sie heute zu Moritz Beck. Bisher habe sie das Notebook vor allem zum Schreiben benutzt, erzählt sie: „Jetzt möchte ich ins Internet gehen, aber das klappt irgendwie nicht.“
Der 17-jährige Gymnasiast stellt fest, dass mit dem Notebook selbst alles okay ist. Allerdings hat Gina H. Probleme mit dem Betriebssystem Ubuntu, das ihr ein Bekannter auf den Rechner gespielt hat.
Überhaupt würde sich die Sozialhilfeempfängerin gern fitter machen fürs Recherchieren im Netz. Denn sie hat neue berufliche Perspektiven. Beck verweist sie auf die Infoabende, die zwei Ehrenamtliche aus dem @ngestöpselt-Team regelmäßig anbieten: „Da erfahren Sie alles darüber, wie man ins Internet kommt, wie man eine Mail schreibt und surft.“
40 Menschen gehören dem „Verein für Digitalkompetenz“ derzeit an. Rund ein Dutzend Freiwilliger engagiert sich in der Werkstatt, repariert Computer, holt gebrauchte Rechner ab, bedient Kunden oder organisiert Veranstaltungen. Geld für Miete und Equipment fließt dem Verein aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden zu.
Seit Jahresbeginn wird außerdem eine Bearbeitungsgebühr von zehn Euro pro Rechner erhoben. Dies wurde laut Helmerich notwendig, weil der Verein vor einem haben Jahr einen finanziellen Engpass hatte. Die Kunden akzeptierten die Umstellung, ohne zu murren. Die Rechner bleiben ja dennoch unschlagbar günstig.
Große Nachfrage
Trotz der großzügigen PC-Spende des Würzburger Unternehmens ist der Verein aufgrund der hohen Nachfrage weiter auf der Suche nach gebrauchten Computern. Ende Juni wird bei der Mitgliederversammlung außerdem über einen möglichen Umzug diskutiert. Rein aus Platzgründen, so Helmerich, wäre dies sinnvoll, denn die Werkstatt platzt aus allen Nähten. Fragt sich nur, ob es gelingt, günstige Räume in Würzburg zu finden.
Original Südwest Artikel vom 22.06.2017