Flott statt Schrott
Eine gedankenlose Wegwerfkultur und der Wunsch nach immer leistungsfähigeren Computern sorgen für einen wachsenden Berg an vermeintlich zu alter und nicht mehr zeitgemäßer Hardware. Der Autor bekennt sich dabei ebenfalls zur Unsitte, ständig aktuelle Hardware besitzen zu wollen. Das hat global gesehen allerdings drastische Folgen: Wie aus einer jüngst erschienenen Studie hervorgeht, entstehen jährlich weltweit rund 50 Millionen Tonnen Elektroschrott.
Dabei vermeidet praktizierte Nachhaltigkeit in diesem Umfeld nicht nur Müll: Durch Projekte, die gebrauchte Hardware weitergeben, profitiert darüber hinaus der Teil der Bevölkerung, der nicht in der Lage ist, halbwegs aktuelle und zum Teil überhaupt Computer zu finanzieren. Insofern unterstützen diese Aktionen den Grundsatz, dass jedes Mitglied der Gesellschaft Zugang zu Informationstechnik haben sollte.
Verteilt über den deutschsprachigen Raum gibt es einige Projekte, die Rechner als Spenden entgegennehmen, sie im Bedarfsfall aufarbeiten, Linux als Betriebssystem aufspielen und die Computer an bedürftige Menschen weiter geben. Wir stellen zwei dieser Projekte vor, die jeweils einen ganz unterschied lichen Ansatz gewählt haben.
Angestöpselt e.V.
Der in Würzburg beheimatete, als gemeinnützig anerkannte Verein Angestöpselt e.V. überholt seit 2011 nach dem Vorbild der Computerspende Hamburg ihm überlassene Computer und verteilt sie an Bedürftige. Das Projekt bezeichnet sich selbst auch als Verein für Digitalkompetenz, was auf Aktivitäten verweist, die über das Verschenken gebrauchter Hardware hinausgehen.
Wegen des rapiden Wachstums des Vereins musste er bereits zwei Mal um ziehen. Der Keller eines der Gründer war schnell zu klein, und 2018 stand erneut ein Umzug in größere Räumlichkeiten an. Bisher ermöglichte der von rund 50 ehrenamtlichen Mitgliedern getragene Verein bereits rund 2500 Menschen mit einer Hardware Spende den Zugang in die digitale Welt.
Das Engagement von Angestöpselt e.V. reicht aber weit über Würzburg hinaus. So unterstützten die Mitglieder mit einigen Laptops die Aktion Liebe im Karton, die zu Weihnachten 2018 Geschenke für Kinder in Syrien sammelte.
Ab Intel Dual Core
Spenden gebrauchter, aber noch funktionsfähiger Hardware von privat oder aus Unternehmen sind beim Würzburger Verein gerne gesehen. Dabei sollten die Desktop PCs oder Notebooks nicht älter als acht Jahre sein und mindestens über eine Intel Dual Core oder AMD Athlon 64 CPU sowie Hauptspeicher nach dem Standard DDR verfügen. Bei Monitoren nimmt der Verein aufgrund geringer Kapazitäten im Lager nur TFT Displays an. Gespendete Drucker müssen unbedingt funktionieren und über mindestens halbvolle Tintenpatronen verfügen. Neben Hardware sind Spenden auch in Form von Software oder Geld möglich.
Anschließend arbeiten die Mitglieder die Hardware auf, sofern nötig und möglich, und versehen die Rechner mit Linux als Betriebssystem, bevor sie sie weiter gegeben. Als bedürftig gelten Empfänger von Arbeitslosengeld, Behinderte, Rentner, Flüchtlinge und Schüler sowie Studenten. Darüber hinaus arbeitet der Verein Organisationen zu, die selbst gemeinnützige oder mildtätige Zwecke erfüllen.
Da die Anträge auf Hardware oft das Aufkommen an Spenden übersteigen, betragen die Wartezeiten üblicherweise zwischen drei Wochen und drei Monaten. Neben der Weitergabe von Hardware bietet der Verein an, Bedürftigen defekte Hardware zu reparieren. Wer vom Verein Hardware erhalten hat und sich fragt, wo rum es sich bei diesem Linux auf dem Rechner eigentlich handelt, der hat die Möglichkeit, an einem der regelmäßig abgehaltenen Kurse teilzunehmen, um entsprechende Fragen zu klären.
CoderDojo
Wie bereits angedeutet versorgt der An gestöpselt e.V. aber nicht nur Bedürftige mit aufgearbeiteter Hardware: Seit 2017 gehört auch das Projekt CoderDojo zum Verein. Dort können Jugendliche in diversen Workshops das Programmieren erlernen. Bei CoderDojo handelt es sich um eine weltweite Bewegung für kosten lose, durch ehrenamtliche Helfer unter stützte Programmiertreffen für junge Menschen.
Das Dojo wird von Studierenden der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg Schweinfurt als freiwilliges soziales Projekt organisiert und auch von der Hochschule gefördert. Das Workshop Angebot richtet sich spezifisch an Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 17 Jahren. Dabei reicht das Spektrum von der Einführung von unerfahrenen Anfängern über bereits anfänglich geübte Anwender bis hin zu Fortgeschrittenen, die ihren Kenntnisstand er weitern möchten.
Eine weitere Verbindung besteht zwischen Angestöpselt e.V. und dem Freifunk Franken: Dessen Firmware versorgt auf einem Router in den Räumlichkeiten des Vereins die Mitglieder und Besucher mit freiem WLAN Zugang. Vorstandsmitglied Florian Helmerich berichtet im Interview von seinem Engagement bei Angestöpselt e.V.:
LinuxUser: Wie lange arbeitest Du schon im Verein?
Florian Helmerich: Ich bin seit fünf Jahren Mitglied im Verein Angestöpselt e.V. in Würzburg. Ein guter Freund war schon länger dort tätig und hat mein Interesse an einer Mitarbeit geweckt. In der Anfangszeit halfen wir in der Werkstatt, reinigten gespendete Computer, löschten die Festplatten und installierten Ubuntu. Seit drei Jahren bin ich im Vorstand tätig.
LU: Welche weiteren Aufgaben übernimmst Du im Verein?
FH: Neben den genannten Aufgaben administriere ich einen Proxmox-Server und halte die Website instand. Außerdem versuche ich Spenden zu akquirieren und repräsentiere den Verein auf Veranstaltungen.
LU: Wann bist Du selbst das erste Mal mit Linux in Berührung gekommen?
FH: Meine erste Begegnung mit Linux fand auf dem ersten von mir im Verein installierten Computer statt. Der Schlüsselmoment für meine Begeisterung für Linux kam, als wir von der Installation von optischen Medien auf die Installation per Netzwerk (PXE) wechseln wollten. Dazu benötigten wir einen Linux-Server. Gestaltete sich der Umgang mit der Server-Version von Ubuntu anfangs schwierig, funktionierte es nach intensiver Beschäftigung und dem Studium einiger Anleitungen dann doch problemlos.
LU: Hat sich diese Begegnung auf andere Bereiche Deines Lebens ausgewirkt?
FH: Der Spaß, mit Linux zu arbeiten hielt an, weshalb ich 2017 eine Ausbildung zum Fachinformatiker für Systemintegration begann. Dabei administriere ich zahlreiche Linux-Server. Die Ausbildung macht nach wie vor sehr großen Spaß, und ich bereue keinesfalls die Entscheidung, Linux-Administrator zu werden.
LU: Aus welchem Grund setzt Ihr Linux ein?
FH: Aufgrund der sehr unterschiedlichen Hardware der Rechner: Hier ist Linux klar im Vorteil, gerade wenn es um ältere Geräte geht. Windows kommt schon wegen der damit verbundenen Lizenzkosten nicht infrage. Wir haben uns aufgrund der Bekanntheit und der einfachen Bedienung für Ubuntu als Distribution entschieden – bei Fragen oder Problemen finden sich im Internet dazu zahlreiche Informationen. Um unseren Kunden eine mühsame Neuinstallation zu ersparen, installieren wir ausschließlich die aktuelle LTS-Version mit Langzeitunterstützung.